Rinder angebunden im Stall

Angekettet statt auf der WeideSo leiden Rinder unter der Anbindehaltung

In Deutschland leben etwa 1,1 Millionen Rinder in Anbindehaltung. 479.000 von ihnen sind Milchkühe. Angekettet im Stall können sie sich weder frei bewegen noch an die frische Luft. Für einen Teil der Tiere gilt dies während mehrerer Monate im Jahr. Die anderen müssen die Anbindehaltung sogar dauerhaft ihr gesamtes Leben lang ertragen. Aus unserer Sicht ist das systematische Quälerei, die längst verboten gehört.

Was versteht man unter Anbindehaltung?

In der Anbindehaltung werden Rinder mit Ketten oder festen Halsrahmen auf einem Platz im Stall fixiert. Dort stehen sie dann tagein, tagaus. So angebunden können sie keine ganzen Schritte nach rechts und links machen, geschweige denn sich umdrehen oder frei bewegen. Nicht einmal Körperpflege können sie betreiben oder sich einfach am Rücken lecken, wenn es juckt. Die Kühe haben keine Möglichkeit, sich zu wälzen oder nah bei ihrer Herde zu sein.

Die Tiere in der Anbindehaltung können lediglich fressen, sich hinlegen und aufstehen. Doch selbst das klappt nicht in allen Betrieben. Denn häufig ist die Fläche, die den Kühen im Stall zur Verfügung steht, so klein, dass sie nicht alle gleichzeitig liegen können. Dann behindern oder verletzen sie sich sogar gegenseitig. Etwa 1,1 Millionen Rinder vegetieren auf diese Art und Weise in Deutschland vor sich hin. Knapp die Hälfte von ihnen sind Milchkühe. Die anderen sind Jungtiere in einem Alter ab sechs Monaten, Bullen, Färsen - also junge Kühe, die noch kein Kalb bekommen haben - und Mutterkühe.

Etwa 1,1 Mio. Rinder leben in Deutschland in Anbindehaltung. Knapp die Hälfte von ihnen sind Milchkühe.

Das bedeutet saisonale und ganzjährige Anbindehaltung

  1. Ganzjährige Anbindehaltung: Zahlreiche Kühe leben 365 Tage im Jahr in der Anbindehaltung. Sie müssen dieses trostlose Leben also ganzjährig ertragen – ihr Leben lang.

  2. Saisonale Anbindehaltung: Rinder in der sogenannten saisonalen Anbindehaltung sind jeweils für ein halbes oder dreiviertel Jahr fixiert. Den Sommer verbringen sie in der Regel auf der Weide. Saisonale Anbindehaltung ist kein geschützter Begriff und es gibt keine verbindlichen Vorgaben für sie. Daher haben sich in Bayern und Baden-Württemberg Milchviehhalter*innen, Molkereien und Politik darauf verständigt, dass die saisonale Anbindehaltung mindestens die Kriterien der sogenannten Kombinationshaltung erfüllen soll. Ein beschönigender Begriff, bei dem das Wort Anbindehaltung nicht mehr vorkommt. Laut Haltungskriterien müssen sich Kühe dann 90 bis 120 Tage im Jahr bewegen können. Die Kombinationshaltung soll Betrieben den Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung erleichtern

Saisonale Anbindehaltung trotzdem tierschutzwidrig

Die saisonale Anbindehaltung oder sogenannte Kombinationshaltung bedeutet zwar eine Verbesserung gegenüber der ganzjährigen Anbindehaltung, da sich die Kühe immerhin an 90 bis 120 Tagen im Jahr bewegen können. Bei der saisonalen Anbindehaltung ist das teilweise noch etwas länger der Fall. Aber auch sie ist selbst mit zwischenzeitlicher Weidehaltung tierschutzwidrig, denn 120 Tage bedeuten im Umkehrschluss 245 angebundene Tage im Stall.

Wer Tiere nach den Kriterien der sogenannten Kombinationshaltung hält, lässt sie im Sommer nicht zwangsläufig auf eine saftig grüne Weide. Das ist nicht vorgeschrieben. Es gibt auch keine Vorgaben, wie groß die Fläche sein muss, auf der sich Kühe ohne Kette, Seil oder Rahmen bewegen können. Es reicht nach den Kriterien dieser Haltungsform bereits aus, wenn die Landwirtinnen und Landwirte die Kühe für eine gewisse Zeit im Jahr auf den Laufhof lassen. Sogar Buchten, also eigene wenige Quadratmeter große abgegrenzte Bereiche im Stall, gelten als genügend.

Auch auf Bio-Betrieben kann man die saisonale Anbindehaltung finden. Hier müssen die Tiere neben der Weide im Sommer im Winter wenigstens noch zweimal in der Woche Bewegung in einem Laufhof bekommen.

So leiden Rinder in der Anbindehaltung

Keine Bewegung

Kühe können sich über Monate oder ihr ganzes Leben weder frei bewegen noch sich umdrehen oder Freundschaften in ihrer Herde schließen.

Zu wenig Platz

Kühe wurden  in den letzten Jahrzehnten immer größer gezüchtet, die meisten Anbindeställe aber nicht entsprechend umgebaut. Die Tiere stehen daher teilweise auf Gitterosten über Kot und Urin, weil die Flächen zu klein sind.

Verletzungen

Durch das Stehen auf dem Gitterrost können ihre Gelenke anschwellen oder ihre Euter sich entzünden. Wenn die Liegeflächen nicht ausreichend mit Stroh eingestreut sind, können - wie in Laufställen auch - weitere Verletzungen hinzukommen.

Hitze & Monotonie

Alte Ställe sind oft dunkel & schlecht belüftet. Kühe stehen in hoher Luftfeuchtigkeit und leiden im Sommer unter der Hitze. Manche Kühe sind so angebunden, dass sie Tag und Nacht monoton auf die gleiche Wand starren. Keine Abwechslung für die intelligenten und neugierigen Tiere.

Wie lange ist die Anbindehaltung noch erlaubt?

Die aktuelle Bundesregierung will die ganzjährige Anbindehaltung nach einer Übergangsfrist von zehn Jahren verbieten. Das hat sie in ihrem Entwurf für eine Novellierung des Tierschutzgesetzes formuliert. Die saisonale Anbindehaltung soll erlaubt bleiben. Dass beide Formen überhaupt (noch) erlaubt sind, widerspricht dem Tierschutzgesetz. Denn das besagt, „wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen [ … ] verhaltensgerecht unterbringen, darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.“

Eine Milchkuh im Stall auf dem Weg zum Melken
Dem Leid der Milchkühe ein Ende machen

Etwa vier Millionen Milchkühe in Deutschland leben oft unter erbärmlichen Bedingungen. Wir machen Druck auf die Regierung und die Wirtschaft, damit sich daran etwas ändert. Dafür benötigen wir Ihre Unterstützung. Ihre Spende hilft.

Jetzt spenden

FaktencheckWarum gibt es Anbindehaltung überhaupt?

Lange Zeit lebten in Deutschland die meisten Rinder in der Anbindehaltung. Das hat sich geändert, seit Laufställe in den 1980er-Jahren aufgekommen sind. Trotzdem halten viele Landwirtinnen und Landwirte noch immer daran fest und fixieren hierzulande insgesamt 1,1 Millionen Rinder. Wir beleuchten ihre Argumente dafür und erklären, warum diese genauso überholt sind wie die Anbindehaltung selbst.

In den meisten Diskussionen beziehen sich die Befürworter*innen der Anbindehaltung allein auf Milchkühe. Sie warnen vor den hohen Kosten für den Bau neuer Melkstände, Neu- oder Umbauten, wenn sie die Haltung ändern müssten. Für sie gibt es jedoch Fördergelder weshalb viele Landwirtinnen und Landworte schon gebaut haben. Doch auch ein Großteil anderer Rinder, die keine Milchkühe sind, muss angebunden leben. Diese Jung- oder Masttiere werden nicht gemolken. Bei ihnen wäre es wesentlich einfacher, sie in einem anderen, tierfreundlicheren Stallsystem zu halten, und der Umbau wäre deutlich günstiger – und würde gefördert. Zudem ist der Handel gefragt, bessere Tierhaltung besser zu bezahlen, denn die Landwirtinnen und Landwirte brauchen Planungssicherheit und einen Milchpreis von dem sie leben und die Kredite zurückzahlen können.

Die Befürworter*innen der Anbindehaltung in Bergregionen betonen häufig, dass die Kühe bei der saisonalen Variante in den Sommermonaten auf den Almen grasen. Ein Verbot der Anbindehaltung würde demnach auch das Ende dieser touristisch beliebten Szenerien bedeuten. Es spricht jedoch nichts dagegen, die Weidehaltung in den Bergen fortzusetzen, wenn die Kühe während der Stallmonate zumindest in gut ausgebauten Laufställen leben. Der Anteil der Almen, auf denen Rinder gehalten werden, geht aktuell auch ohne ein Ende der Anbindehaltung stetig zurück. Der Grund dafür sind vorwiegend Konflikte mit Ausflügler*innen sowie Landwirtinnen und Landwirte, die sich zur Ruhe setzen.

Ein Argument, das die Branche gern bemüht: Kühen in Laufställen werden häufiger die Hörner entfernt als denen in Anbindehaltung. Das rechtfertigt aber dennoch nicht die monotone und quälende Haltung mit Ketten, Gurten oder Halsrahmen. Wir lehnen die Enthornung zudem grundsätzlich ab. Denn die Hörner haben wichtige Funktionen, da die Tiere sie für die Kommunikation und ihr soziales Miteinander brauchen, sich damit kratzen und überschüssige Körpertemperatur darüber ableiten.

Das fordert der Deutsche Tierschutzbund

  • Wir fordern bereits seit Jahren, jegliche Anbindehaltung von Rindern – egal ob ganzjährig oder saisonal – zu verbieten. Und das endgültig und so schnell wie möglich. Es ist nicht mit dem Staatsziel Tierschutz zu vereinbaren, Tiere lange zu fixieren und anzubinden.
  • Politik und die Landwirtschaft müssen den Bau von Laufställen und Außenausläufen weiter fördern oder vorantreiben. Zahlreiche Beispiele zeigen längst, dass es möglich ist, auch kleine Anbindeställe so umzubauen, dass die Betriebe dies wirtschaftlich verkraften und ihre Kühe gleichzeitig tiergerecht halten können.
  • Die Politik muss Landwirtinnen und Landwirte, bei denen solche Umbauten nicht möglich sind, beim Ausstieg aus der Rinderhaltung finanziell unterstützen.

Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt spenden